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Säugling

Als Säugling oder Baby bezeichnet man ein Kind ab der Geburt im ersten Lebensjahr. In dieser Zeit wird es häufig mit der Muttermilch gestillt. Wegen des Reflex (Physiologie)|Saugreflexes wird es Säugling genannt. Während der ersten vier Wochen heißt es "Neugeborenes". Ab dem zweiten Lebensjahr nennt man es "Kleinkind".

Für das erste Lebensjahr gibt es typische Entwicklungsphasen. Die Toleranzbreite wird mit zunehmendem Alter größer. Entwicklungsdefizite können durchaus kurzfristig aufgeholt werden. Auffällige oder langfristige Abweichungen sollten immer Arzt|ärztlich abgeklärt werden. Sie sind Gegenstand der Pädiatrie.

Sensomotorische Entwicklung

Mit sensomotorischer Entwicklung ist die Dynamik (System)|dynamische Wechselwirkung von Empfindungen (über Sinnesreize) und reaktiver Bewegung (über das neuromuskuläre Zusammenspiel) gemeint. Die aktuelle Forschung geht davon aus, dass der Mensch in seinem ersten Lebensjahr auf ein Immanenz|immanentes Lernprogramm zurückgreift, dass es ihm ermöglicht, eine kontinuierliche Entwicklung von der Geburt bis zum aufrechten Stand zu vollziehen.

Säuglinge sind wie alle Menschen bereits Individuen. Sie sind verschieden und haben bereits Charakter-Eigenschaften. Eine normale Entwicklung des Säuglinges ist daher eine, die dem Durchschnitt entspricht, keinesfalls bedeutet jedoch ein Abweichen von der Normalität gleich Unnormalität. Es gibt vielmehr eine sehr große Bandbreite an normalen Entwicklungen und die Reihenfolge der erlernten Fähigkeiten kann auch sehr verschieden sein. Während der eine Säugling bereits aus vollem Hals lacht, grinst ein gleichaltriger nur milde; während der eine direkt vom Robben zum Laufen übergeht, krabbelt der andere viel länger, und so weiter.

Die ersten Tage

Sofort nach der Geburt erfolgt in Deutschland eine Überprüfung der Vitalität|Vitalfunktionen nach der APGAR-Skala (Neugeborenen-Screening). Überprüft werden Atmung, Puls, Hautfarbe, Muskulatur|Muskeltonus und die Vigilanz des Kindes 1, 5 und 10 Minuten nach der Geburt. Bei Geburten im Krankenhaus werden gesund befundene Kinder zusammen mit der Mutter ins Neugeborenen-Zimmer verlegt und können oft am selben Tag nach Hause. Risikofälle werden beobachtet, kranke Neugeborene werden stationär behandelt.

Die normale Atemfrequenz liegt bei etwa 40-50/min. Der Puls liegt im Mittel bei 120-140/min, Herzfrequenzen bis 200/min beim schreienden Säugling sind indes nicht ungewoehnlich. Säuglinge sind bei der Geburt ca. 52 cm groß. Während des ersten Jahres wachsen sie um etwa 25 cm. Das Durchschnittsgewicht beträgt 3400g. Bei unter 2500g spricht man von einer Mangelgeburt (häufig bei Geburtshilfe/fruehgeburt.php">Frühgeburten). Durch die Anpassung kommt es in den ersten Tagen zu einem Gewichtsverlust von bis zu 10% des Geburtsgewichtes, nach 3-4 Tagen nimmt das Kind in der Regel wieder an Gewicht zu und erreicht ca. 10 Tage nach der Entbindung wieder sein Geburtsgewicht. Die Anpassungsmechanismen betreffen die Atmung, die Thermoregulation|Wärmeregulation, das Herz-Kreislauf-System, den Verdauungstrakt, die allgemeine Durchblutung und die Auseinandersetzung mit der Schwerkraft.

Der erste Stuhlgang des Neugeborenen, das Mekonium oder auch Kindspech, ist zähflüssig und sehr dunkel bis schwarz gefärbt. In den folgenden Lebenstagen wird der Stuhl dünnflüssiger und ist eher gelblich gefärbt. Ein Mekonium-Abgang des Fetus noch vor der Geburt zeigt sich an einer grün-Färbung des Geburtshilfe/fruchtwasser.php">Fruchtwassers. Oft liegt dem eine Sauerstoff-Unterversorgung des Feten zu Grunde, die vielerlei Gründe haben kann, in der Regel aber glimpflich verläuft. Gefürchtete Komplikation ist ein evtl. resultierendes Mekonium-Aspirations-Syndrom. Bleibt das Mekonium innerhalb der ersten zwei Tage nach der Geburt aus, kann im Darmbereich eine Engstelle, ein Verschluss oder eine Transportstörung vorliegen. Dies kann zu einer Bauchfellentzündung (Peritonitis) führen.

Der erste Monat

Auffallend ? aber normal ? sind unkoordinierte Massenbewegungen, die schiefe Körperhaltung (Asymmetrie) und die so genannte Moro-Reaktion (Streck- und Umklammerungsreflex bei plötzlichen Geräuschen).

Der zweite Monat

Die Massenbewegungen sind noch dominant, Balance|Balancierversuche gegen die Schwerkraft führen zum Tonuswechsel der Muskulatur --> das Kind streckt "alle Viere von sich" (Dystonie). Nach 6 Wochen sollte der Daumen frei sein.

Der dritte Monat

Die Massenbewegungen sind durch die zunehmende Gehirnreife abgebaut. Reflexartige Körperhaltungen sind von der Kopfstellung abhängig (tonische Reflexe). Der Kopf kann alleine ohne den Rumpf gedreht werden. Das Tragen der Beine (Rückenlage) und der Ellbogenstütz (Bauchlage) sollten "aktiv" sein, also kein "Durchhängen".

Der vierte Monat

Die Primitivreflexe und die tonischen Reflexe werden abgebaut. Die Hirnreife ermöglicht ein selektives Bewegen des Kopfes, des Rumpfes und der Extremitäten gegeneinander. Es beginnt die "geh- und stehlose Zeit" (Abasie und Astasie).

Der fünfte Monat

Es beginnt die Stehbereitschaft. Dazu entwickeln sich die "Körperstellreaktionen", d.h. der Körper beginnt, den Kampf gegen die Schwerkraft zu gewinnen, und neue Bewegungen Koordination|koordiniert einzuüben. Dies beginnt mit dem eigenständigen Umdrehen, das bis zum siebten Monat voll entwickelt sein sollte. Die Kopfbeweglichkeit und -kontrolle ist abgeschlossen.

Der sechste Monat

In der Rückenlage wird die Entwicklung mit der Hand-Hand-Fuß-Koordination abgeschlossen. Die Umgebungsreize Motivation|motivieren das Kind, die Welt in einer "höheren Etage" zu erkunden. Es dreht sich auf den Bauch, um den Handstütz zu erarbeiten. Dabei stützt es sich mit den Handinnenflächen ab.

Spielverhalten: es erzählt, wenn es alleine ist, es beginnt Namen zu verstehen (Mama, Papa...)

Der siebte Monat

Aus der Bauchlage heraus beginnen die ersten Fortbewegungsversuche zur Erkundung der Umgebung.
  • Robben --> Vorwärtsziehen mit gebeugten Armen, mit oder ohne Beinbeteiligung, um etwas vor sich zu erreichen. Auffällig wären steife Streckungen der Arme oder Beine.
  • Pivoting --> Kind macht eine Kreiselbewegung in Halbseitenlage (Einzelellbogenstütz), um etwas neben oder hinter sich zu erreichen. Auffällig wären Seitenunterschiede.
Die Hand greift im Zangengriff, Gegenstände werden von einer in die andere Hand übergeben ("Bimanuelle Koordination"). Der Aktionsradius wird erweitert, es ahmt viel nach, verweigert durch Kopfschütteln, klatscht bei Freude.

Der achte Monat

Die Stehbereitschaft sollte voll entwickelt sein, das heisst beim passiven Hinstellen soll es bewusst Gewicht mit den Beinen übernehmen. Das Krabbeln wird vorbereitet: Aus dem Vierfüßlerstand fällt es zurück in den Fersensitz und stößt sich wieder nach vorne ("Rocking"). Das Spielen auf der Seite wird mit gestreckten Arm gemacht, um höher zu kommen ("großer Gartenzwerg").

Es deutet mit dem Hand|Zeigefinger auf Gegenstände. Die Hand fasst mit dem "Pinzettengriff". Es legt Gegenstände und schiebt Hindernisse beiseite, um andere Dinge zu greifen/erreichen. Das Kind wiederholt seine erlernten Fähigkeiten nicht nur, jetzt passt es sie veränderten Situationen an (Wenn-Dann-Denken). Es zeigt Suche|Suchverhalten, nimmt die Decke von etwas Verstecktem weg ("Objektpermanenz"). Es beginnt zu "Fremdeln" (Unterscheidung: bekannt <--> unbekannt).

Der neunte Monat

Das Krabbeln wird koordinierter. Das Kind nimmt verschiedene Sitzpositionen ein: Langsitz, Seitsitz, Fersensitz, Zwischenfersensitz oder Hürdensitz (ein Bein gebeugt, das andere gestreckt). Auffällig wäre eine Beschränkung auf eine einzige Position, bzw. eine bevorzugte Seite beim Seit- und Hürdensitz. Sozialverhalten wie im achten Monat.

Zehnter bis zwölfter Monat

Das Kind beginnt sich hinzustellen. Es zieht sich mit den Armen zunächst in den Einbein-Kniestand, dann beginnt es, sich mit dem Bein hochzustemmen. Um entfernte Gegenstände zu erreichen, geht es erst im gestützten Seitwärtsgang ("Küstenschifffahrt"), bevor es lernt, frei zu laufen. Dabei verringert es allmählich seine Unterstützungsfläche (von breitbeinig bis hüftbreit): Die Gleichgewichtsreaktionen müssen noch ausgebildet werden.

Es kennt Personen und Gegenstand|Gegenstände aus dem täglichen Umgang mit ihren Namen. Es beginnt sinngemäße Sätze zu bauen ( "Gib mir...!", Wo ist...?").

Reflexe und Reaktionen

Alle frühkindlichen Reflexe und Reaktionen sind einem bestimmten Bereich oder Niveau im ZNS zugeordnet. Innerhalb eines bestimmten Zeitraumes sind sie physiologisch, bzw. werden sie erwartet. Sie begleiten die sensomotorische Entwicklung des Kindes.
Reflexe sind unwillkürliche, regelhaft ablaufende Vorgänge als Antwort auf äußere Reize (hauptsächlich über die Hautrezeptoren und das Labyrinth). Sie werden zentral über das Gehirn|Zwischenhirn (Thalamus u. Pallidum) vermittelt, die Antwort ist kaum variabel.
Reaktionen sind Antworten auf äußere Reize, die in einem bestimmten Muster erfolgen. Die Muster können unterbrochen und verändert werden.
Im folgenden werden nur einige für die Diagnose und Behandlung wichtige Reflexe und Reaktionen erläutert (Wo = Woche, LM = Lebensmonat, LJ = Lebensjahr).
Wo es nicht anders steht, ist die Ausgangsstellung die Rückenlage.

Primitivreflexe


palmarer Greifreflex
  • Bestreichen der Handinnenflächen mit dem Daumen => Greifen, Faustschluß
  • physiologisch: 0?6. LM, danach verhindert er den Handstütz u. koordiniertes Greifen
plantarer Greifreflex
  • Bestreichen der Zehenballen mit dem Daumen => Zehenkrallen
  • physiologisch: 0?11. LM, ab Laufbeginn stört bzw. verhindert er das Gehen
Moro
  • laute Geräuschen oder Erschütterungen => 1.Abstreckphase (Anspannung der Streckmuskulatur + Kopfstreckung) 2.Umklammerungsphase ( Anspannung der Beugemuskulatur + Kopfbeugung)
  • physiologisch: ab 6. Wo nur noch Abstreckphase, baut ab mit der Fixierung des Kopfes
Galant
  • Kind wird in Bauchlage in der Schwebe gehalten, 2 cm neben der Wirbelsäule (WS) mit den Fingern vom Schulterblatt bis zum Beckenkamm entlang streichen => WS-Seitbeugung + Kopfdrehung zur gleichen Seite
  • physiologisch: 0?2. LM, Abschwächung bis 5. LM
Schreitreflex (automatisches Gehen)
  • man trägt das Kind mit beiden Händen seitlich am Brustkorb und lässt die Füße wechselseitig geringes Gewicht übernehmen => das Kind schreitet voran.
  • physiologisch: 0?3. Mo, die Beine müssen dabei gebeugt bleiben.
''Extensorstoß''
  • man trägt das Kind mit beiden Händen seitlich am Brustkorb und lässt die Füße gleichzeitig geringes Gewicht übernehmen => das Kind antwortet mit einer raschen Streckung der Beine und des Rumpfes.
  • physiologisch: 0?3. Mo

Tonische Reflexe

Nach dem Abbau der Massenbewegungen und der Primitivreflexe entwickeln sich differenzierte Bewegungen, wobei der Muskeltonus von der Kopfstellung abhängt.
Es entstehen tonische Reflexe, die bei einem gesunden Säugling aber nie so stark ausgeprägt sind, dass sie die Einnahme differenzierter Körperstellungen behindern.
Wenn sie über den physiologischen Zeitraum hinaus persistieren, verhindern sie die Aufrichtung und die Entwicklung der Stell- und Gleichgewichtsreaktionen.

TLR (Tonischer Labyrinthreflex)
  • Vorbeugen des Kopfes => zunehmender Beugetonus
  • Rückstrecken des Kopfs => zunehmender Strecktonus
  • physiologisch: 0?3. LM
STNR (Symmetrisch tonischer Nackenreflex)
  • Vorbeugen des Kopfes => Beugung der Arme + Streckung der Beine
  • Rückstrecken des Kopfes => Streckung der Arme + Beugung der Beine
  • physiologisch: 0?3. LM
Fechterstellung
  • Seitwärtsdrehung des Kopfes => Gesichtseite: Arm gestreckt, Hand locker gefaustet, Bein gestreckt mit aufgesetztem Vorfuß, Hinterhauptseite: Arm gebeugt in lockerer U-Halte, Bein locker gebeugt mit Bodenkontakt.
  • physiologisch: 4.?8. Wo

Stellreaktionen

Die Stellreaktionen dienen dazu, Kopf und Rumpf bei einer Lageveränderung im Raum einzustellen. Sie entwickeln sich nach dem Abbau der tonischen Reflexe, dienen der Antischwerkraftentwicklung und sind die Voraussetzung für die Stütz- und Gleichgewichtsreaktionen. Sie werden in die Wilkürbewegungen integriert und bleiben in modifizierter Form ein Leben lang erhalten.

LSR (Labyrinthstellreaktion)
  • ab der 6 Wo beginnt das Kind, in Bauchlage den Kopf zu heben und ihn gegen die Schwerkraft einzustellen.
  • physiolog: volle Entwicklung bis zum 5. LM.
HSR (Halsstellreaktion)
  • Wird der Kopf in Rückenlage gedreht, folgt der Körper "en bloc".
  • physiolog: bis zum 3. LM, danach sollte eine selektive Beweglichkeit möglich sein.
Körperstellreaktion auf den Körper
  • sie ermöglicht bei einer Drehung die Rotation zwischen Schulter- und Beckengürtel.
  • physiolog: sie sollte bis zum 7. LM voll entwickelt sein, wenn sich das Kind von Rücken- in Bauchlage und zurück drehen kann. Sie ist Voraussetzung für die Ausrichtung des Kopfes, des Rumpfes und der Extremitäten gegen die Schwerkraft.
Sprungbereitschaft
  • Mit den Händen seitlich am Becken wird das getragene Kind zügig bauchwärts zur Unterlage geführt => das Kind bringt die Arme zum Abstützen nach vorne.
  • physiologisch: ab dem 5. LM auslösbar.

Gleichgewichtsreaktionen

Bei einer Veränderung der Unterstützungsfläche, bzw. einer Verschiebung des Körperschwerpunktes kommt es zu Halte- und Stützreaktionen.
  • ab 6. LM: in Bauchlage, durch seitliches Kippen der Unterlage
  • ab 7. LM: in Rückenlage, durch seitliches Kippen der Unterlage
  • ab 1. LJ: im Sitz, in allen Richtungen. Im Vierfüßlerstand durch Kippen der Unterlage
  • ab 2. LJ: im Stand
  • ab 3. LJ: im Gang

Die Informationen dienen der allgemeinen Weiterbildung. Sie können in keinem Falle die ärztliche Beratung, Diagnose oder Behandlung ersetzen.
Bei gesundheitlichen Beschwerden sollten Sie ärztlichen Rat einholen.

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