Kinderheit - Teil 1
Je langsamer und gleichmäßiger die Erstwickelung ist, desto vollkommener und dauerhafter wird die Blüte sein.
Deshalb muß der leitende Grundsatz in der Erziehung des Mädchens sein, daß es körperlich und geistig so lange wie möglich Kind bleibt.
Dieser Zweck wird erreicht, wenn man das Erwachen der Geschlechtstätigkeit möglichst lange hinausschiebt. Körperlich, indem man allen übrigen Lebensäußerungen des Kindes, besonders dem Drang nach Bewegung, möglichst Vorschub leistet; geistig, indem man auf das kindliche Denken und Fühlen eingeht, es in seiner Eigenart sich entfalten läßt und ihm diese erhält. Dieser kindliche Hauch, der gut erzogenen Kindern eigen ist, bewahrt sich durch alle Wechselfälle des Lebens bis ins höchste Alter.
Um in richtiger Weise in das Leben des Kindes eingreifen zu können, muß man mit der allmählichen Entwickelung seiner körperlichen und geistigen Fähigkeiten vertraut sein. Zu warnen ist dabei vor einer allzu einseitigen systematischen Erziehung, vor unheilvoller Prinzipienreiterei. Jedes Kind ist anders, und jedes einzelne erfordert ein liebevolles, oft mühsames und schwieriges Erkennen und Fassen seiner kleinen, keimenden Persönlichkeit, eine dementsprechende individuelle Fürsorge und Pflege, deren Grundbegriffe nicht aus Büchern , sondern nur aus der Tiefe des Mutterherzens geschöpft werden können.
Diese Hinweise können nur als Richtschnur im Allgemeinen dienen , im besonderen müssen die jeweiligen Verhältnisse entscheiden.